Vortrag innerhalb der Ausstellung Schichtwechsel, Referent: Herbert Schirmer, freier Kunstwissenschaftler
Das 1995 gegründete Kunstarchiv in Beeskow verfügt im Wesentlichen über zwei Sammlungsbestände. Da ist der Bestand an Kunstwerken, die vom Staatlichen Kulturfonds der DDR finanziert und 1990 zusammengetragen, drei Jahre später zu großen Teilen aus Berlin in die Beeskower Burg kamen. Darunter waren nicht nur auf Auftragsarbeiten, sondern auch Ankäufe aus Ausstellungen. 1995 kamen Kunstwerke aus dem Besitz von Parteien und Massenorganisationen dazu, die im Auftrag der Treuhandanstalt von Mitarbeitern des Deutschen Historischen Museums und früherer Massenorganisationen von 1991 bis 1994 eingesammelt und gleichfalls in Berlin verwahrt worden waren. Die Bestände, die nach dem Fundortprinzip erfasst und für die Übergabe an die ostdeutschen Länder vorbereitet wurden, unterschieden sich verständlicherweise von jeder profilierten Sammlung. Ihr Wert lag erkennbar darin, die Symbiose von Kulturpolitik und Kunstschaffen abzubilden, ihre Entwicklung und wechselseitige Beeinflussung, die ideologische wie materielle Grundlage, auf der tausende von Künstlern, Kunsthandwerkern und Laien an einem Bild von und für die DDR gearbeitet hatten, zu belegen. Das Kunstarchiv in Beeskow diente von Anbeginn dazu, die Strukturen eines wesentlichen Teils der Kunstproduktion und Rezeption der DDR sichtbar zu halten, den Zugriff darauf und den Umgang damit jederzeit zu gewährleisten und am Gegenstand selbst zu forschen, auch um die Qualitätskriterien nach dem verschwundenen System jederzeit ablesbar zu machen.
Der Vortrag soll an Erscheinungen der ereignisreichen 1990er Jahre erinnern und anhand ausgewählter Beispiele verdeutlichen, wie es gerade in turbulenten Zeiten und dem Verschwinden der Produktionsvoraussetzungen und Rezeptionsbedingungen zur Sammlungstätigkeit von Ankaufs- und Auftragskunst kam, wer sich dafür engagierte und mit welcher Zielsetzung die damaligen Akteure zu Werke gingen. Im Rückblick auf die temporeichen Vereinigungsvorgänge wird noch einmal verdeutlicht, auf welches Unverständnis der Aufbau des Beeskower Kunstarchivs bei einem Teil der Öffentlichkeit stieß, wie Bewahrungseffekt und Entsorgungsmentalität aufeinandertrafen und wie sich dank der Archivierung und erster Ausstellungs- und Leihtätigkeit schon bald Normalität im kritischen Umgang damit einstellte.
Herbert Schirmer, Diplom-Journalist/Kunstwissenschaftler.1945 in Stadtlengsfeld geboren, Buchhändlerfachschule Leipzig, Studium an der KMU in Leipzig. 1975-79, Chefredakteur der Zeitschrift „Kultur-Report“ in Dresden; danach Abteilungsleiter im Verlag der Kunst Dresden; 1986-89 freiberuflicher Kunstkritiker und Kulturmanager in Cottbus und Frankfurt (Oder), wiss. MA in den Staatlichen Kunstsammlungen Cottbus; Mitglied im VBK/DDR; 1990 Landesvorsitzender der CDU Brandenburg und letzter Minister für Kultur der DDR; 1991-98 Direktor des Kultur- und Bildungszentrums Burg Beeskow; Aufbau und Leitung des Dokumentationszentrums „Kunst der DDR“; 2001-04 Kurator der Internationalen Bauausstellung IBA „Fürst-Pückler-Land“ in Großräschen, seitdem freiberuflicher Kunst- und Kulturmanager
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