Lasst uns reden: Frauenprotokolle aus der Colonia Dignidad Heike Rittel und Jürgen Karwelat

Donnerstag
25.10.2018
Uhrzeit:
19:30 Uhr - 21:00 Uhr
Informationen zum Kurs
Kursnummer W 23/2-18
Bemerkung der andere Buchladen und Amnesty Krefeld
Dauer (U)Stunden
Kursgebühr 5,00 €

Es bedurfte eines Thrillers mit Emma Watson und Daniel Brühl – “Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück” – um eine der unrühmlichen Geschichten der deutschen Politik einem breiteren Publikum nahezubringen.
Westdeutschland in den 1960er Jahren: Laienprediger Paul Schäfer schart eine sektenähnliche Gruppe um sich und bringt viele Erwachsene und fast zweihundert Kinder ins chilenische Ausland. Dort gründet er die Colonia Dignidad (“Kolonie Würde”), in der die betroffenen Kinder über Jahrzehnte sexuell und, wie die erwachsenen Sektenmitglieder, als Arbeitssklaven missbraucht werden. Später wurde die Colonia Dignidad auch ein Folterlager des Geheimdienstes der Pinochet-Diktatur.
Heike Rittel hat sich auf die Spur der Frauen dieser ehemaligen Sekte begeben. Sie befragte Frauen verschiedenster Generationen: Sehr persönliche Schicksale mit ganz unterschiedlichen Überlebensstrategien und Formen der Vergangenheitsbewältigung.
Die ausführliche Einleitung von Jürgen Karwelat stellt die Protokolle in den zeithistorischen Zusammenhang.
Was den Fall der Colonia Dignidad so erschütternd macht: Die Deutsche Botschaft in Chile und damit das Auswärtige Amt, letztlich also der westdeutsche Staat, hatten jahrzehntelang mit der Colonia Dignidad zusammengearbeitet und das Treiben geduldet, obwohl ai schon seit 1977 informierte: „Colonia Dignidad. Deutsches Mustergut in Chile – ein Folterlager der DINA“.
Ein wichtiges Buch, nicht zuletzt wegen erschreckend aktueller Fragen: Was erzeugt in Menschen die Bereitschaft, ihre Selbstbestimmung aufzugeben, um dem Ruf irgendwelcher “Führer” zu folgen?
Der Arzt und ehemalige Assistent Paul Schäfers Hartmut Hopp lebt, wie einige seiner Opfer, in Krefeld. In Chile wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch und zur Freiheitsberaubung zu fünf Jahren Haft verurteilt, ist er weiter auf freiem Fuß. Der Antrag auf Vollstreckung des chilenischen Urteils wird von der deutschen Justiz bis heute nicht umgesetzt. Und die um ihre Kindheit und Jugend Betrogenen warten bis heute auf eine Entschuldigung und Entschädigungsleistungen des Auswärtigen Amtes, obwohl eine überparteiliche Bundestagskommission anmahnte, den Prozess zur Aufarbeitung der grausamen Ereignisse voranzutreiben und einen Hilfsfonds einzurichten.