rum·ei·ern
/rumeiern/
schwaches Verb
UMGANGSSPRACHLICH
1. Ohne klare Linie handeln, sich unklar äußern
(und deshalb nichts erreichen)
2. Umgangssprachlich :sich unsicher,
ungleichmäßig, ziellos bewegen
Eigentlich hatte es sich Frau Tausendschön in der Lethargie schön eingerichtet und sich
vorgenommen, mit dem Coronahündchen, der vollzogenen Hirnschrumpfung und der
wegen exzessiven Genusskochens und Brotbackens fortgeschrittenen Verfettung der
Verrentung entgegen zu dämmern. Allein, es war nicht möglich, denn sie sprudelt noch,
die köstliche Quelle der Kreativität. Zwar nicht so unbedingt und ungestüm wie gewohnt,
aber doch so, dass die von der Irrelevanz zerrupfte Künstlerinnenseele in Genugtuung und
Freude baden kann.
Was tut die Menschheit seit mehr als einem Jahr? Die Politikerinnen, die Hobbyvirologen,
die Kassiererinnen, die Fußballer? Sie alle eiern herum, dass es eine Art ist. Und Nessi
Tausendschön eiert mit. Sie hat es sogar beim Rumeiern bis zur Perfektion gebracht,
niemand eiert so schön und bühnentauglich wie sie. Ihre Themen sind u.a. Verkehrsinseln,
unsere Sprache, Gleichberechtigung, die Bepflanzung von Vorgärten und die leidige Politik.
Es ist offensichtlich, wie verletzlich wir sind und wie sehr wir von einander abhängig sind
und wie sehr wir von unseren eigenen Unzulänglichkeiten durchgeschüttelt werden. Aus
den größten Krisen heraus entstehen oftmals die kreativsten Ideen, so sagt man. Und so
sitzt Frau Tausendschön schon seit zwei Sommern im Garten und wartet auf Inspiration.
Eine Kaktusblüte ist deshalb so schön und so betörend, weil es vorher ein Jahr lang karg
war.
Und wenn Sie am Ende des Abends dasitzen und sich fragen: Worum ging es eigentlich?
So kann dies vielleicht an dieser Stelle erklärt werden, denn Frau Tausendschön kann es
nicht. Am Ende geht’ s immer nur ums Öl, das weiß jede Friseuse, ähh, Friteuse. Sicher
ist, dass Sie sich sagen werden: Frau Tausendschön hat mir einen trüben Abend begrünt,
an dem ich auch hätte zu Hause bleiben können. Und wer immer noch nicht weiß, was zu
erwarten ist: Es wird lustig. Vielleicht auch melancholisch. Rumeiern eben.
Die Kabarettistin und Musikerin Nessi Tausendschön wurde vielfach ausgezeichnet – unter
anderem mit dem Deutschen Kabarettpreis, dem Salzburger Stier und dem Deutschen
Kleinkunstpreis, und ist dem Publikum auch durch ihre TV-Auftritte präsent – unter
anderen in der “Ladies Night” in der ARD, beim 3sat Kleinkunstfestival und in „Die Anstalt“
mit Max Uthoff und Claus von Wagner im ZDF.
Gitarre: William Mackenzie
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